Lässt sich die Schwerkraft ausschalten

2019 
Einleitung: Die Schwerkraft auszuschalten, davon traumen Wissenschaftler seit der Antike und der Sage des Ikarus. Methoden zu entwickeln, die dies ermoglichen sind im Zeitalter der Raumfahrtforschung von hohem Interesse, zumal Experimente im Weltraum kostspielig, logistisch enorm aufwendig und im Regelfall nicht so einfach wiederholbar sind. Folglich sind grundlegende Experimente wichtig, um etwas uber die Schwerkraftsensitivitat und Reaktionszeiten des Untersuchungsobjektes zu erfahren, damit das Weltraumexperiment optimal vorbereitet werden kann. Fragestellung: Lassen sich Versuchsanlagen und -bedingungen auf der Erde herstellen, die vergleichbar sind zu der Situation in Schwerelosigkeit? Ziele sind, dem exponierten biologischen System das Gefuhl fur „oben und „unten“ zu nehmen und schwerkraftbedingte Phanomene wie die Sedimentation aufzuheben. Methodik: Fur kleine biologische Systeme lasst sich Mikrogravitation auf der Erde mittels sogenannter Klinostaten simulieren. Hierbei wird eine Probe mit moglichst geringem Durchmesser um eine horizontale Drehachse, welche rechtwinklig zum Schwerkraftvektor steht, so schnell gedreht, dass ihre Sedimentation aufgehoben wird. Damit wirkt der an sich gerichtete Gravitationsreiz von allen Seiten auf das Biosystem ein und wird, so die Annahme, von diesem nicht mehr wahrgenommen. Am DLR in Koln werden Klinostaten zur Kultivierung von Zellen, kleinen Pflanzen und Tieren mit Moglichkeiten zur Beobachtung, chemischen Fixierung oder online Messung von Kinetiken entwickelt. Fur grose Objekte, wie einen Menschen, gestaltet sich die Situation komplexer. 6 Grad Kopf-Tieflage, Trockenimmersion und Tauchen sind derzeitig gewahlte Ansatze, um zumindest einzelne Funktionen vergleichbar wie in Schwerelosigkeit zu verandern. Ergebnisse: Durch Experimente an etablierten Modellsystemen in simulierter und realer Mikrogravitation gelang es uns, Betriebsmodi und Konfigurationen der Bodenanlagen zu definieren und somit optimale Bedingungen zur Simulation von Schwerelosigkeit zu entwickeln. Beispiele sind die Aufhebung des schwerkraftgerichteten Orientierungsverhaltens von Zellen (Gravitaxis) und der Wachstumsrichtung von Pflanzen (Gravitropismus) und damit verbundene Positionsanderung von Statolithen und Neutralisation von Dichteunterschiede von Zellkompartimenten. Fur den Menschen geben die Simulationsansatze zwar gute Annaherungen fur z. B. Muskel- und Knochenphysiologie, andere Funktionen wie das Vestibularsystem werden aber weiterhin von dem Gravitationsvektor stimuliert. Schlussfolgerungen: Die Schwerkrafteinwirkung lasst sich zumindest fur einige physiologische Parameter auf der Erde mittels geeigneter Simulation minimieren. So kann systematisch gepruft werden ob ein Untersuchungsparameter Schwerkraftrelevanz hat. Um Fehlinterpretationen der Ergebnisse zu verhindern, bedarf es der Verifizierung der Daten in realer Mikrogravitation.
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