Wege zu einem effizienten Waldnaturschutz in Deutschland

2020 
Waldnaturschutz hat viele Facetten und Handlungsfelder. Die Stellungnahme ist fokussiert auf den Erhalt uberlebensfahiger und sich austauschender Populationen aller heimischen Waldarten und unterbreitet Vorschlage fur einen effizienten Waldnaturschutz sowie zur Honorierung diesbezuglicher Leistungen. Empfehlungen fur einen effizienten Waldnaturschutz auf verschiedenen Ebenen der Biodiversitat: Empfehlungen fur die Ebene der genetischen Vielfalt: Sensibilisierung der Waldbewirtschafterinnen und Waldbewirtschafter fur die Relevanz genetischer Vielfalt und fur die Unterstutzung geeigneter Masnahmen der In-situ-Erhaltung genetischer Ressourcen Weiterentwicklung des genetischen Monitorings von Populationsstrukturen der Waldbaume Fortfuhrung von Ex-situ-Masnahmen zur Erhaltung forstgenetischer Ressourcen gefahrdeter Geholzarten Erhohung der genetischen Vielfalt gefahrdeter Waldarten durch Forderung seltener gene­tischer Cluster Mehr Forschung zu den genetischen Strukturen von Waldbaumen und anderen Wald­organis­men und ihre damit verbundene Anpassungsfahigkeit an sich andernde Umwelt­bedingungen Empfehlungen fur die Ebene der Artenvielfalt: Verstarkte Ausrichtung des Waldnaturschutzes auf Artenkorbe aus Ziel- und Indikatorarten Vermehrter Einsatz attraktiver Schirmarten in der Kommunikation, um bei Praktikern und in der Offentlichkeit das Interesse fur komplexe und verborgene Lebensgemeinschaften zu wecken Ansiedlung regional ausgestorbener Arten in wiederhergestellten Lebensraumen Besserer Schutz und Forderung von Arten, die Lebensraum fur andere Arten schaffen (Oko­system-Ingenieure) inklusive einer Verringerung sozialer und/oder okonomischer Konflikt­potenziale uber Kompensationszahlungen und Konfliktmanagement Verstarkte Forderung von Baumarten, die besonders vielfaltige Wirtspflanzen-Funktionen erfullen wie Eiche, Zitterpappel, Hainbuche und die Weidenarten, sowie aller gefahrdeten einheimische Baumarten Empfehlungen fur die Ebene der Einzelbaume: Vorrangiger Erhalt von Habitatbaumen mit vielen und seltenen Mikrohabitaten als Langzeit­habitate Auswahl von fakultativen Habitatbaumen neben obligatorischen Habitatbaumen mit Gros­hohlen, Horsten oder sonstigen Fortpflanzungs- und Ruhestatten der besonders geschutzten Arten in einer Art und Weise, dass moglichst viele und diverse Mikrohabitate auf der Flache bereitgestellt werden Gezieltes Belassen gebrochener, geworfener oder altersbedingt abgestorbener Einzelbaume als kostengunstige und naturschutzfachlich hochwertige Ausgangsbasis fur die Entwicklung von wertvollen Totholzstrukturen Borkenkaferpravention in Naturschutzwaldern wenn moglich nicht durch teures und fur die Artenvielfalt schadliches Entrinden, sondern durch Schlitzen der Borke Starkere Forderung der Totholzdiversitat im Totholzmanagement Forderung von Totholz vor allem im Tiefland, in Laubwaldern, in starken Dimensionen und auf besonnten Flachen Gezielte Habitatforderung in Naturschutzvorrangflachen, die nicht Prozessschutzflachen sind, durch aktive Induktion von Habitatbaumen, Anreicherung von Totholz oder den Einsatz von Feuer Empfehlungen fur die Ebene der Lebensraumvielfalt: Starkere Berucksichtigung fruher und spater Sukzessionsstadien in Schutzgebietskonzepten zur Forderung der an diese Waldentwicklungsstadien gebundenen Arten Ausbau von Masnahmen zum Erhalt bzw. zur Entwicklung lichter Waldstrukturen Erhalt bzw. Wiederherstellung seltener azonaler Waldgesellschaften Erhalt bzw. Wiederherstellung kulturgeschichtlich gepragter, naturschutzfachlich wertvoller Waldnutzungsformen und daraus entstandener Waldtypen Forderung von Mischbestanden standortheimischer Baumarten unter besonderer Beachtung der seltenen Baumarten; zur Erreichung dieses Ziels ist eine deutliche Reduktion hoher Schalenwildbestande erforderlich Langfristige Sicherung der Habitatkontinuitat von Altwaldresten uber „okologische Nach­hal­tigkeitseinheiten“ aus uralten, alten, mittelalten und jungen Bestanden Empfehlungen fur die Ebene der Landschaftsvielfalt: Systematische Schutzgebietsplanung fur eine differenzierte Landnutzung mit einer aus­reichenden Zahl segregativer Elemente in einer uberwiegend integrativen Matrix unter Berucksichtigung der Kriterien Naturnahe, Seltenheit, Gefahrdung, Habitattradition und Grose Konsequentes Umsetzen des Prinzips „Natur Natur sein lassen“ in Prozessschutzgebieten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter intensiver Kommunikation mit der Bevol­ke­rung; Beschrankung von Sanitarhieben auf  tatsachliche Konfliktsituationen Verteilung eines begrenzten Flachenkontingents fur Naturschutzvorrangflachen in einer Wald­landschaft eher auf mehrere hochwertige Teilflachen als Ausweisung einer grosen Flache Reduktion negativer Effekte von Fragmentierung durch einen starkeren Fokus auf die Auswei­tung qualitativ hochwertiger Habitatflachen als auf deren raumliche Anordnung Starkere Berucksichtigung gerichteter Standortsveranderungen durch Klimawandel und Eintrage aus der Luft bei der Ausweisung zukunftiger Naturschutzvorrangflachen  Instrumente zur Honorierung von Naturschutz im Wald Vertragsnaturschutz im engeren Sinne, d. h. Anbieter und Nachfrager konnen sowohl die Leistungen als auch die Modalitaten der Vergutung frei verhandeln, hat bisher in Deutschland bestenfalls ein Nischendasein. Hinderungsgrunde reichen von der Dominanz des Ordnungsrechts im Bereich des Naturschutzes im Wald, der Knappheit an Zeit und finanziellen Mitteln, mangelnden Kenntnissen, mangelnder Flexibilitat der Forderverfahren, fehlender Kontinuitat der Programminhalte und Finan­zierung, fehlendem gegenseitigen Vertrauen bis hin zum Risiko, das bisherige Bewirtschaftungsrecht des Waldes zu verlieren. Fur ein Honorierungssystem, das diese Hinderungsgrunde uberwindet und okonomische Anreize zur Durchfuhrung von Naturschutzmasnahmen im Wald setzt, schlagen wir folgende Eckpfeiler vor: Die Mittelbereitstellung sollte von den jahrlichen Haushaltsverhandlungen des Bundes und der Lander losgelost werden. Eine erfolgversprechende Losung ware die Einrichtung einer Wald­naturschutzstiftung auf Zuwendungsbasis. Es sollte von einer masnahmenorientierten auf eine ergebnisorientierte Honorierung umge­stellt werden. Die Bestimmung geeigneter Indikatoren zur Leistungskontrolle ist aber zum Teil noch Gegenstand der naturwissenschaftlichen Forschung. Vertrage sollten auch fur kurzere Zeitraume (≤ 10 Jahre) vereinbart werden konnen oder Ausstiegsoptionen enthalten. Bei beiderseitiger Zufriedenheit sollten sich die Vertrage automatisch verlangern. Die Zahlungshohen sollten nach der Hohe des erreichten bzw. des angestrebten  Natur­schutz­niveaus gestaffelt werden. Daraus ergibt sich fur Waldbesitzer der Anreiz, zum einen ein erreichtes Naturschutzniveau zu bewahren und zum anderen einen eingeschlagenen Pfad zur Erreichung von Naturschutzzielen weiter zu verfolgen. Das Risiko, nach Auslaufen eines Naturschutzvertrages nicht mehr zur alten Bewirtschaftung zuruckkehren zu konnen, liese sich durch eine „Versicherungslosung“ abdecken. Ist die Ruckkehr zur alten Bewirtschaftung aufgrund der Ansiedlung einer geschutzten Art nicht moglich, erhalten die betroffenen Waldbesitzer eine vorab festgelegte Zahlung. Ausschreibungsverfahren, bei denen die nachgefragte Leistung definiert und der Preis das Entscheidungskriterium ist, wurden mogliche Mitnahmeeffekte marginalisieren.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    0
    Citations
    NaN
    KQI
    []
    Baidu
    map